Leicht muss
man sein
Elisabeth Starzinger glaubt an die innere Ruhe
und die Kraft des Temperaments
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Von Christian Dompke
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Die Komische Oper ist nicht zuletzt wegen
ihres hervorragenden Ensembles
Opernhaus des Jahres geworden - und
das ist,
wie Elisabeth Starzinger sagt -
»eine ganz
große Familie«. Wenn man
die
koloraturgewandte Mezzosopranistin
auf der Bühne - singend und spielend
- oder im
persönlichen Gespräch erlebt, weiß man,
was das Besondere dieses Ensembles
ausmacht: Weil man einer Sängerin
begegnet, die auf völlig unverstellte
Weise in der
Lage ist, Freude am Beruf
zu vermitteln,
einfach, weil es ihr »irre viel Spaß« macht.
Singen ist für sie in
erster Linie
ein rein körperliches Gefühl,
das einfach »raus« muss. Sie selbst
spricht davon,
»eins mit sich selbst« zu
sein, und
fügt einschränkend hinzu, dass sie diese Phrase
etwas abgedroschen findet. Aber oft sind es
genau solche Sätze,
die auf
schlichte Weise den Kern der Dinge beschreiben.
Das von ihr beschriebene
Gefühl haben auch Kolleginnen
aus dem Sänger-Olymp als Antrieb
ihrer
Bühnenkarriere genannt - von
Elisabeth
Grümmer (einst ein berühmter
Octavian,
eine Partie, in der Elisabeth
Starzinger
demnächst debütiert) bis zu
Vesselina
Kasarova.
Elisabeth
Starzinger ist auf dem Land
aufgewachsen,
in einem Dorf mit 30
Häusern in
Oberösterreich und in einer
Umgebung, in
der niemand klassische Musik machte. Sie
hat zwar daheim viele
Volkslieder
gesungen und früh schauspielerische Begabung im
Spiel mit ihrer
Mutter entfaltet, doch die erste Begegnung
mit der Oper gab es erst während
der Schulzeit - Die Hochzeit des Figaro
an der Wiener Staatsoper auf einem
Stehplatz -
und so
wurde der Wunsch,
Sängerin zu
werden, von ihrer Familie mit wohlwollender
Verwunderung aufgenommen.
Nach ihrem Debüt als Zweite Dame
in der Zauberflöte an der Wiener Volksoper
hat sie sich in einer für ihr jugendliches
Alter erstaunlich kurzen Zeit ein
enormes Repertoire angeeignet: Händel,
sehr viel Mozart, Rossini, Lehar,
Ravel, Britten, Ligeti. Eine Entwicklung,
für die sie
dankbar ist, nicht zuletzt, weil
die
Rollenangebote alle zur richtigen
Zeit an sie
herangetragen worden sind.
Innere Ruhe,
eine solche Entwicklung
abzuwarten,
gehört selbstverständlich dazu:
Leicht muss man sein: mit leichtem
Herzen halten
und nehmen, halten und
lassen, wie
es im Rosenkavalier heißt.
Doch nur mit
innerer Ruhe ist ihr das
keineswegs
gelungen, sondern auch mit einem gerüttelt Maß
an Fleiß. Disziplin hat sie bei ihrer Lehrerin
für Interpretation,
Edith Mathis, gelernt: Dort war,
wer zu einer
ihrer Stunden schlecht studiert
erschien, »nach fünf Minuten wieder
draußen«.
Bei ihrem Gesangslehrer Gerhard Kahry wiederum
sucht sie immer wieder
Rat, allein schon wegen seines feinen
Gehörs, und bezeichnet es als Glücksfall,
ihm begegnet zu sein: »Man muss
als Schüler schon selbst den Instinkt haben,
welcher Lehrer zu einem passt.«
Wie überhaupt »Instinkt ein großer Teil
der sängerischen Begabung« sei, auch
der Instinkt für den richtigen Zeitpunkt
einer neuen Rolle, schließlich müsse
man in der Lage sein, Partien »nicht nur
geistig zu
bewältigen, sondern auch körperlich
und konditionell«.
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Der Instinkt
hat sie bei
ihrer Rollenauswahl nicht verlassen,
obwohl sie jedes Mal »die Krise
kriegt«, wenn
sie die Noten einer Partie
zum ersten
Mal sieht. Sie stellt sich den
Herausforderungen, »aber das wichtigste
ist, dass
die Stimme gesund bleibt«.

Nach Stationen in Wien, Salzburg,
Mannheim, Zürich und Toulouse ist die
Mezzosopranistin in Berlin angekommen, wo sie
»unglaublich gern« lebt.Wahrscheinlich,
so mutmaßt sie, wirkt
sich der viele Platz und das viele Licht in
der Stadt auf das Gemüt der Menschen
aus.

Es
gibt nur eins, was sie aufrichtig
vermisst: die österreichische Küche. An
der Komischen Oper sind viele Stücke
im
Repertoire, die der Sängerin und ihrer
Stimme - und, weil hier besonders
auf das
Schauspielen so viel Wert gelegt wird - ihrem
Temperament sehr entgegen
kommen. Angst vor modernem Regietheater
hat sie folglich überhaupt
nicht. Zu
einer guten Regiearbeit gehört
für sie in
erster Linie, dass die Grundidee
des Regisseurs das ganze Stück überträgt. Mit einer gewissen Strenge im Ton fügt sie hinzu, sie
schätze es überhaupt
nicht, wenn
nach der Abreise des Regisseurs
Veränderungen in Abläufen und Details
vorgenommen werden. Ebenso wenig Probleme hat
sie mit der besonderen
Farbe des Hauses, alle Opern auf
deutsch zu
singen. Meist studiert sie die
Partien in
der Originalsprache, das zweite
Erlernen auf deutsch findet sie dann weniger
anstrengend. Gerne würde sie
mehr
Gelegenheit haben, Liederabende zu geben - diese
liegen ihr besonders am Herzen, weil sie »so
pur« sind: Es
hilft keine
Maske, kein Licht, keine Dekoration.
Auf ihre nächsten Aufgaben an der Komischen
Oper Berlin, die Titelpartie in
Theseus
und Octavian im Rosenkavalier,
freut sie
sich riesig. Operette zu singen,
macht ihr
großes Vergnügen, es gibt nur
leider zu
wenige Partien für Mezzosopran,
und die wenigen hat sie bereits gesungen.
Mozarts Idamante, Rossinis Cenerentola und der
Komponist in Ariadne
auf Naxos
sind weitere Wunschpartien. Den richtigen
Zeitpunkt wird sie trotzdem
abwarten, haltend und nehmend.
Es ist nicht
zuletzt diese innere Ruhe,
die einige
der längsten und schönsten
Sängerinnen-Karrieren beflügelt hat.
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Christoph Dompke ist Kabarettist, Autor
und Musiktheaterjournalist.
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